Schweizer*innen
in Georgien

Die freundschaftliche Beziehung zwischen Georgien und der Schweiz beginnt bereits während des russischen Reichs. 1763 sicherte Zarin Katharina II ausländischen Siedlern Religionsfreiheit, Befreiung vom Militärdienst, Selbstverwaltung auf lokaler Ebene in Deutsch, finanzielle Starthilfe und 30 Jahre Steuerfreiheit zu. Allgemein ist es wenig bekannt, dass in diesen Siedlungen Schweizer lebten. Zwischen 1883 und 1922 wurden diese Schweizer vom Schweizer Konsulat in Tbilissi betreut. Viele von ihnen waren Käser, Unternehmer, Kaufleute, Lehrer und Missionare. So soll etwa 1858, mit der Gründung der deutschen Kolonie Alexandershilf westlich von Tbilissi, auf Wunsch der Regierung die erste Schweizer Käserei entstanden sein. Darüber hinaus bereisten Schweizer bereits damals den Kaukasus auch als Alpinisten, Naturforscher, Wissenschaftler, Industrielle und Geschäftspersonen. Nach der Machtergreifung und Gewaltherrschaft der Bolschewikis sahen sich die „Kaukasusdeutsche“, darunter auch die Schweizer, gezwungen den Kaukasus zu verlassen.
Neben wissenschaftlichen Arbeiten und alpinistischen Memoiren, sind es Notizen und Lebenserinnerungen dieser Schweizer, die uns heute über ihre Tätigkeiten und das Leben im Kaukasus berichten. Beispielsweise veröffentlichte Carl Egger (1872–1952), Bergsteiger, Skiläufer, Maler und Schriftsteller, 1932 in Basel sein Buch „Die Eroberung des Kaukasus“. Egger beschreibt Bergexpeditionen und Erstbesteigungen im Kaukasus und berichtet von Alpinisten, die zwischen 1868 und 1932 die Gebirgsmassive des Kaukasus bezwangen.

„Gar oft hört man die Frage: Was ist schöner, Kaukasus oder die Alpen? Je nun, das ist nicht leicht zu sagen. Zweifellos besitzt der Kaukasus, namentlich im zentralen Teil, Partien von grandioser Schönheit (...). Riesengestalten, wie Elbrus und Kasbek, die mit ihren ruhigen Gipfelformen die starre Welt furchtbar steiler Granitnadeln beherrschen, fehlen den Alpen völlig. Niergends kommt bei uns ein solch unvermittelter Kontrast zwischen Eiswelt und tropischer Vegetation zustande wie im Westen des Kaukasus. An Grossartigkeit und wilder Schönheit steht er hoch über den Alpen; ich kenne keinen Teil aus letztern, die darin mit dem Kaukasus erfolgreich zu rivalisieren vermochten. Dieser Eindruck wird noch erhöht durch die Einsamkeit der kaukasischen Hochtäler, durch die Unberührtheit des Gebirges. (...) Eines fehlt dem Kaukasus völlig, was unsern Alpen wunderbaren Reiz verleiht: die vielen Seen, seien es die grossen Randseen, seien es die tausend kleinen blauen Bergseen. Auch letztere trifft man nur ganz selten. Der Grund liegt in tiefgreifenden Verschiedenheiten des geologischen Baues beider Faltengebirge. Was also unsern Alpen an ernster Grossartigkeit abgeht, das ersetzen sie durch bestrickenden Liebreiz.“

Aber auch in der Architektur findet man Schweizer Spuren. Zum Beispiel das Haus von Iakob Zubalashvili am Freiheitsplatz im Zentrum von Tbilisi, das der Schweizer Architekt Giuseppe Bernardazzi 1825 erbaute. Seit 1953 gehört es dem Georgischen Kunstmuseum (Quelle: Text über Tbilisi Architektur von N. Tchatchkhiani). Heutzutage zieht Georgien etwa Schweizer Immobilieninvestoren, Personen der Kreativwirtschaft aber auch ambitionierte Projektleiter, etwa einer Käserei, an.

Text: © Elene Chechelashvili

Georgier*innen
in der Schweiz

Zu der Zeit, als die ersten Schweizer Bergsteiger die Kaukasusgipfel eroberten und Schweizer Unternehmer erfolgreich die Milchwirtschaft entwickelten, machte sich die erste Gruppe junger Georgier in umgekehrter Richtung auf den Weg, um an den Schweizer Hochschulen zu studieren. Beispielsweise Niko Nikoladze (1843–1928). Der Schriftsteller, Jurist und Politiker Niko Nikoladze war der erste Georgier, der im Jahr 1868 an der Universität Zürich promovierte. Seine Dissertation wurde in Genf auf Französisch publiziert. Er war zudem der erste Georgier überhaupt, der seine Dissertation in einer fremden Sprache verfasste. Niko Nikoladze folgten bald die ersten Georgierinnen an die Universität Zürich. Sie zeigten großen Mut und schafften es, ihren Weg nach Europa zu gehen. Im Russischen Reich war Frauen der Zugang zu Universitäten verwehrt. Die Schweiz bildete hier eine Ausnahme.

1873 gründete Niko Nikoladze zusammen mit anderen georgischen Studenten in Zürich den Verein „Ugeli" (Joch). Dieser unterstützte die Idee eines föderalisierten Russlands nach Schweizer Vorbild. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat fielen einige der Intellektuellen der bolschewistischen Repression zum Opfer.  Mit der Universität Zürich ist auch die Tätigkeit des großen georgischen Linguisten

Kita Tschenkéli (1895–1963) eng verbunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog er aus Hamburg nach Zürich um an der Universität Zürich Georgisch zu lehren.  Der Sozialdemokrat und spätere erste Vorsitzende der Regierung der Demokratischen Republik Georgien, Noe Schordania (1868–1953), erhielt 1893 politisches Asyl in Genf. 1918 eröffnete die Demokratische Republik Georgien ihr Konsulat in Bern. Khariton Shavishvili (1886–1975) wurde im November 1918 zum Vertreter Georgiens im Völkerbund, der Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen, in Genf ernannt. Grigol Robakidse  (1882–1962) georgischer Schriftsteller, der mitunter auf Deutsch schrieb. Er war einer der Begründer der modernen psychologischen Erzählung in Georgien. 1931 verließ Robakidse Sowjet-Georgien und ging ins Exil nach Deutschland und lebte in Berlin. Wegen dieser Kooperation mit dem NS-Regime musste er bei Kriegsende Deutschland verlassen und ging in die Schweiz. Von 1945 bis 1962 lebte Robakidse in der Schweiz, zuletzt in Genf. Er war dort ein aktives Mitglied der Europäischen Schriftsteller-Vereinigung und Mitherausgeber der wissenschaftlich-literarischen Zeitschrift Bedi Kartlisa (dt. Schicksal Georgiens).

Heutzutage besteht die georgische Gemeinde in der Schweiz aus ca. 1'500 Personen. Die meisten sind Akademiker*innen, Wissenschaftler*innen und Kulturschaffende.

Text: © Elene Chechelashvili